Duft kann triggern und schlafende Hunde wecken
von Barbara Daniel-Leppich
In einer aktuellen Studie des Teams um die beiden Forscherinnen Christina Strauch und Denise Manahan-Vaughan an der Ruhr-Universität-Bochum wird aufgezeigt, wie Riechhirn und weitere Gehirnregionen zusammenwirken, damit Dufterfahrungen ins Langzeitgedächtnis wandern – von dort sind sie auch lange Zeit später wieder abrufbar. Vereinfacht geht es also auch darum, „wie schlafende Hunde geweckt werden können“.
Jeder von uns hat es schon selbst erlebt: ein Geruch sagt mehr als 1000 Worte, katapultiert uns in vergangene Zeiten und beschert uns – ob gewünscht oder nicht - unmittelbaren Zugang zu längst vergessen geglaubten Erlebnissen. In schönen Erinnerungen schwelgen – das gelingt, solange der Duft an angenehmes Erleben gekoppelt ist!
Dass dies ebenso automatisch auch in umgekehrter Weise funktioniert, spielt insbesondere beim therapeutischen Einsatz von Duft eine Rolle:
Ob bei einer Aromamassage zur Entspannung oder in der Stabilisierungsarbeit bei Trauma – vor jedem Duft-Einsatz muss bedacht werden, dass Düfte ebenso das Potential besitzen, Erinnerungen an schlimme Erlebnisse wachzurufen und dass sie bei der Speicherung von überwältigenden Lebensumständen oder –ereignissen häufig eine wesentliche Rolle spiel(t)en.
Blitzschnell kann der Klient demnach durch den entsprechenden Geruch in eine extrem belastende Situation gelangen. Im schlechtesten Fall in eine Retraumatisierung – und das „nur“ über einen für ihn an das Ereignis gekoppelten Duft! Daher kann der Ansatz von „Öl X hilft bei Problem Y“, wie in der Literatur immer wieder angeboten, nur unzureichend sein, wenn es um eine am Klienten orientierte und ihn schützende Behandlungsweise geht. Zunächst muss ausgeschlossen werden, ob bei Öl X eine individuelle negative Kopplung vorliegt. Wesentliche Voraussetzung vor dem Einstieg in die Arbeit mit Duft ist also – neben den Kenntnissen biochemischer Zusammensetzungen, der konzentrationsabhängigen Wirkweisen sowie der jeweils geeigneten Anwendungsform und über den grundsätzlichen Umgang mit ätherischen Ölen - eine sorgfältige und behutsame Duft- und Trauma-Anamnese, um die im Einzelfall und in der jeweiligen Situation stabilisierenden, augenblicklich hilfreichen Düfte gemeinsam zu identifizieren.
So kann in Bezug auf das bedeutende Thema Duft zur Stabilisierung und als Therapiebegleiter auch der Spruch des Philosophen Jean Paul zum Tragen kommen:
„Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können“.
Hier können Sie die Studie der Forscherinnen an der RUB aufrufen.
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