Der Trauer individuellen Ausdruck und Zeit geben
von Barbara Daniel-Leppich
Trauern, die sichtbare Auseinandersetzung mit Verlust und Tod, verschwindet mehr und mehr aus unserer Gegenwart. Zu hilfreichen Ritualen haben wir kaum noch Zugang, das schnelle „zurück zur Normalität“ wird vom beruflichen wie privaten Umfeld erwartet.
Um durch Trauer hindurchzukommen und nach einem Verlust weiterzuleben, braucht es Zeit, individuelle Ausdrucksformen – und vielleicht auch ganz Ungewohntes, fern aller Konvention.
Den Text aus dem Denkanstoß 31 des Bestattungshauses Pütz-Roth aus Bergisch-Gladbach möchte ich hier teilen und auf das zum Thema erschienene Buch hinweisen:
Das letzte Hemd hat viele Farben
Denkanstoß 31
Das letzte Hemd hat viele Farben
Wir wollen Mut machen, Trauer auszuleben, und zwar so, wie es den Hinterbliebenen guttut, nicht so, wie es die Gesellschaft von ihnen erwartet. Sabine Bode und ich erzählen in unserem neuen Buch Das letzte Hemd hat viele Farben von Hinterbliebenen, die sich entgegen der genormten Begräbniskultur sehr bewusst und ganz persönlich von ihren Lieben verabschiedet haben.
Diese wertvollen Erfahrungen sollen Trauernden helfen, ihren eigenen Weg zu gehen. Denn nur der individuelle Abschied schafft die Voraussetzung, eines Tages wieder Lebensfreude empfinden zu können. Trauer braucht Gemeinschaft, Zeit und Raum und die Freiheit, sich von den Erwartungen und Konventionen der Gesellschaft zu lösen.
Vieles hat sich verändert, seit mein verstorbener Vater Fritz Roth und Sabine Bode Der Trauer einer Heimat geben veröffentlicht haben. Leider nicht zum Besseren. Unsere Gesellschaft ist mobiler geworden, die Arbeit ist noch mehr in den Mittelpunkt des Lebens gerückt. Das hat Auswirkungen auf die Art, wie wir trauern. Mobilität, Digitalisierung, die Veränderungen in unser Gesellschaft vom Wir zur stärkeren Betonung des Ich, auch diesen Wandel beschreiben wir und machen Vorschläge, wie man trotzdem einen guten Weg finden kann, sich Trauer und Abschied zu stellen.
Für einen lebendigen Umgang mit dem Tod lautete damals die Unterzeile des Buches. Unser Vater forderte zusammen mit Sabine Bode ein radikales Umdenken im Umgang mit Sterben und Tod.
Es war auch damals nicht erwünscht, dass Hinterbliebene offen ihren Schmerz zeigen – schon gar nicht über einen längeren Zeitraum hinweg. Statt stimmigen Abschiedsritualen begegnete man früher und auch heute noch einer genormten und gefühlsarmen Begräbniskultur. Zeit und Raum für eine intensive Auseinandersetzung mit Gefühlen sind nicht vorhanden. Dabei hat unterdrückte Trauer nicht selten schlimme Folgen für die körperliche und seelische Gesundheit.
Leider ist Trauer aus dem öffentlichen Bewusstsein so gut wie verschwunden. Wir verstecken die Toten hinter hohen Friedhofsmauern. Wir kleiden uns während des Trauerjahres nicht mehr schwarz und häufig ist das, was wir Abschied nennen, nur eine standardisierte Zeremonie, die die meisten Menschen viel zu schnell hinter sich bringen. Unser Buch will zeigen, wie man es anders, besser machen kann.
Der Tod gehört zum Leben. Der Tod zeigt uns, dass unsere Lebenszeit begrenzt ist und macht damit jede Stunde unseres Lebens wertvoll. Wir können vom Tod sehr viel lernen, wenn wir uns trauen hinzusehen. Wem das gelingt, der lebt intensiver und vielleicht sogar glücklicher.
Wir hoffen, dass sich die Menschen in Zukunft wieder mehr Zeit nehmen, um zu trauern, dass sie zusammen kommen, die schweren Stunden mit der Familie oder Freunden verbringen und einen Ort finden, an dem ihre Trauer eine Heimat findet.
Herzlichst
Hanna Thiele-Roth David Roth
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